Friday, September 21, 2012

Time to brag

Today's classic piece is by Wolfgang Borchert.  My claim to fame is that, in 2009, 2010, and 2011, I took summer classes with someone who personally knew Borchert in post-WWII Hamburg  :)  I saw my teacher again this summer, but he isn't teaching classes any longer.

Here are English translations of a dozen pieces by Borchert, and here is a thirteenth piece in the original German:
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Hinter den Fenstern ist Weihnachten

Von Wolfgang Borchert

Im Bunker hält man das nicht aus.  Und als dein Gesicht von dem Auto hellgemacht wurde, sah ich, daß du blaue Schatten um die Augen hast.  Vielleicht ist das eine, bei der man’s leichter hat, dachte ich.  Deswegen laufe ich hinter dir her.

            Wir beide sind ganz allein in der Stadt.  Hinter den Fenstern, da ist Weihnachten.  Manchmal sieht man hinter den Gardinen die Kerzen vom Tannenbaum.  Im Bunker könnte man das jetzt nicht aushalten, wenn sie singen.  Du hast blaue Schatten unter den Augen.  Vielleicht bist du eine von denen, die abends unterwegs sind.  Die Schatten hast du von der Liebe.  Aber jetzt sind sie ganz anders, jetzt singen sie Weihnachtslieder und schämen sich, weil sie weinen müssen.  Ich bin weggegangen.

            Ob du ein Zimmer hast?  Und einen Tannenbaum?  Mein Gott, wenn du ein Zimmer hättest?  Merkst du, daß ich hinter dir hergehe?  Wir sind ganz allein in der Stadt.  Und die Laternen stehen Posten.  Die Posten haben Zigaretten, weil heute Weihnachten ist, und die glimmen in Fenstern:  Hörst du, hinter den Fenstern machen sie Weihnachten.  Sie sitzen auf weichen Stühlen und essen Bratkartoffeln.  Vielleicht haben sie sogar Grünkohl.  Aber dann sind sie reich.  Aber sie haben ja auch Gardinen, dann haben sie auch Grünkohl.  Wer Gardinen hat, ist reich.  Nur wir beide sind draußen.  Du hast blaue Schatten an den Augen, das hab ich gesehen, als das Auto vorbeifuhr.  Ich möchte, daß du die Schatten von der Liebe hast.  Ich weiß sonst nicht, wohin.  Im Bunker singen sie.  Das hält man nicht aus.

            Immer wenn eine Laterne kommt, seh ich deine Beine.  Da kann man schon allerhand dran sehen, wie die Beine sind.  Die andern reden auch immer von den Beinen bei ihren Weibern.  Sie sagen immer Weiber.  Wenn sie abends nach Hause kommen, reden alle von ihren Weibern.  Weiber, sagen sie immer.  Immer bloß so Weiber.  Die ganze Bude ist dann voll davon, wenn sie von den Beinen reden, von ihrer Brust und der rosa Unterwäsche.

            Merkst du nicht, daß ich immer hinter dir hergehe?  Immer wenn eine Laterne kommt, hältst du den Kopf weg.  Ich bin dir wohl zu klein, wie?  Ja, mit einmal ist man wieder zu klein.  Für den Krieg war man auch nicht zu klein.  Nur für so was, was schön ist.  Du brauchst gar nicht so zu rennen, ich lauf dir doch nach.  Wenn ich denke, was du noch alles hast außer den Beinen, dann kann man sich schon allerhand ausdenken.  Die andern haben das jeden Abend.  Unter den Laternen sind deine Knie ganz weiß.  Immer wenn ich dich bei einer Laterne überhole, hältst du dein Gesicht weg.

            Im Vorbeigehen kann ich dich riechen.  Aber du merkst gar nicht, daß ich was von dir will.  So schnell wirst du mich nicht los.  Ich weiß sowieso nicht, wohin.  Bei solchem Nebelwetter ist es im Bunker immer naßkalt.  Kann doch sein, daß du ein Zimmer hast.  Bloß nicht bei deinen Eltern.  Bei Freunden.  Dann kannst du mich doch mitnehmen.  Dann sitzen wir nebeneinander auf deinem Bett.  Und der Nebel und die Kälte stehen vor der Tür.  Und dann sind deine hellen Knie ganz dicht neben mir.  Und du hast einen Tannenbaum.  Und dann teilen wir uns ein Stück Brot.  Du hast doch bestimmt Brot.  Die andern erzählen immer, daß sie von ihren Weibern was zu essen kriegen.  Ihr eßt ja nicht soviel wie wir.  Wir haben meistens Hunger.  Ich auch, du.  Aber du hast vielleicht was.  Wenn du bei deinen Eltern wohnst, das ist natürlich Mist.  Dann müssen wir unten im Treppenhaus bleiben.  Das geht auch.  Die andern bleiben auch oft mit ihren Weibern im Treppenhaus.  Aber Weihnachten?  Mein Gott!  Im Treppenhaus.

            Du riechst gut.  Ich gehe ganz dicht hinter dir und kann dich riechen.  Mein Gott, du riechst so nach allerhand.  Da kann man sich allerhand bei vorstellen.  Wenn das bei uns im Bunker man mal so riechen würde.  Aber da riecht es immer nach Tabak und Leder und nassen Klamotten.  Du riechst ganz anders, so was hab ich noch nie gerochen.  Bei der nächsten Laterne rede ich dich an.  Die Straße ist gerade ganz leer.  Aber wenn ich dich anrede, ist vielleicht alles vorbei.  Du antwortest vielleicht gar nicht.  Oder du lachst mich aus, weil ich dir zu jung bin.  Älter als zwanzig bist du aber auch noch nicht.

            Da kommt die Laterne.  Deine Knie sind ganz hell im Dunkeln.  Die Laterne kommt.  Jetzt muß ich gleich was sagen.  Oder noch nicht?  Vielleicht ist dann alles aus.  Die andern können das alle.  Die haben alle ihre Weiber.  Da ist die Laterne.  Wenn ich jetzt rede, ist vielleicht alles aus.  Die Laterne.  Nein, ich warte noch ein paar Laternen.  Noch nicht.  Der Nebel ist gut.  Du siehst wenigstens nicht, daß ich noch nicht so alt bin.  Aber ich kenn welche, die haben schon eine, und sind auch nicht älter.  Ja, jetzt ist man mit einmal wieder zu klein.  Fürs Soldatsein war man nicht zu klein.  Und jetzt läuft man rum.  Im Nebel nachts.  Und jeden Abend reden die andern von ihren Weibern.  Davon kann man nachher nicht einschlafen.  Die Luft im Bunker ist dann ganz voll davon.  Von ihren Weibern.  Und von dem nassen Nebel nachts.  Draußen.  Aber du, du riechst gut.  Deine Knie sind ganz hell im Dunkeln.  Sie müssen ganz warm sein, deine Knie.  Wenn die nächste Laterne kommt, rede ich dich an.  Vielleicht wird es was.   Mensch, du riechst so.  Das hab ich noch nie gerochen.  Kuck mal, hinter den Gardinen haben sie Weihnachten.  Vielleicht auch Grünkohl.  Nur wir beide sind draußen.  Wir sind ganz allein in der Stadt. –

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